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Rückblick Auslandspraktikum

Der Sprung nach Vorne

Ein Auslandspraktikum ist ein wichtiger Baustein in der Berufsausbildung bzw. Schullaufbahn und kann das weitere Berufsleben prägen. Zwei ehemalige Teilnehmende blicken zurück und berichten über ihre Erfahrungen.

„Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein vierwöchiges Praktikum im Ausland so einen großen Unterschied für die Qualität meiner Ausbildung und die Entwicklung meiner Persönlichkeit macht. Das bleibt unvergesslich, “  berichtet Rose S. nach ihrem Praktikum in Alghero, Sardinien / Italien.

Das Angebot der Berufsschule BS02 in Hamburg  während der Ausbildung praktische Erfahrungen im Ausland zu erlangen, hatte Roses Aufmerksamkeit geweckt und sie kam in die Auslandsberatung. Sie war begeistert von dieser Option und davon, dass 70% – 80% der Kosten von dem Stipendium Erasmus+ getragen werden.

Dann habe ich mutig meine Bewerbung eingereicht und los ging es: Als angehende Kauffrau im Mode-Einzelhandel durfte ich ein Praktikum in den Shops des Modedesigners Antonio Marras absolvieren. Im Geschäft habe ich Touristen aus Deutschland und anderen Ländern auf Englisch bedienen können. Italienisch konnte ich mir Stück für Stück aneignen. Mit einer App habe ich mich vor der Ausreise mit der Sprache etwas vertraut gemacht. Der zweiwöchige Kurs vormittags in der Sprachenschule Pintadera in Alghero hat mich gut vorbereitet. Eine leichte Konversation war schnell möglich. Ebenso hatte ich bei Pintadera sehr nette Ansprechpartnerinnen bezüglich  meiner Unterkunft und anderer Belange.“

„Da ich vor meiner Ausbildung durch ein Studium Kenntnisse im Modedesign erworben hatte, durfte ich sogar beim Design des großen Meisters Marras dabei sein.  Es war sensationell. Wir haben uns gut auf Italienisch, Englisch und mit Händen und Füßen verständigt. Wenn man sich auf so ein Abenteuer einlässt, ist es eine großartige Erfahrung. Diese Erlebnisse möchte ich nicht mehr missen. Sie haben mein Leben positiv beeinflusst. Ich habe gelernt, dass ich auch in der Arbeitswelt im Ausland zurechtkomme und immer Menschen finde, die mir zur Seite stehen. Das Praktikum hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben, mich selbstständig und flexibel gemacht. Auch habe ich gelernt, Arbeitsweisen zu akzeptieren, die ich vorher nicht kannte, “ berichtet Rose begeistert.

In meiner Freizeit konnte ich die Schönheit und Kultur der Insel kennen lernen. Ich habe einige inspirierende Leute getroffen, zu denen ich heute teilweise noch Kontakt habe. Ich kann nur jedem empfehlen, dieses großartige Angebot zu nutzen. Einfachmutig sein! Keine Angst vor der Sprache oder Fremde haben! Es gibt viele sehr nette Menschen, die einem helfen“, resümiert Rose.

Im Ausland ist vieles anders. Damit die Auszubildenden keinen Kulturschockt bekommen oder sofort in den Reklamationsmodus gehen, wenn irgendetwas nicht stimmt, absolvieren alle Teilnehmenden vor dem Auslandsaufenthalt einen Vorbereitungskurs bei unserer Partnerorganisation Arbeit und Leben. Dieser Kurs soll bewirken, dass die in Deutschland geprägten Erwartungen „zu Hause“ gelassen werden. Was anders ist, muss nicht zwangsweise schlechter sein. Nicht bewerten, nur beobachten! Das ist die Einstellung, die jeder im Gepäck haben sollte.

Die Karriere von Sonny M. im Einzelhandel kann sich sehen lassen: Als Geschäftsführer hat er inzwischen sogar bei Hackett in Madrid gearbeitet.

Und so fing Sonnys Laufbahn an: 2009 hat er in Hamburg eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel in einem noblen Herrenbekleidungsgeschäft begonnen. Als Schüler der Europaklasse in der Berufsschule war ein Praktikum im Ausland fester Bestandteil im zweiten Ausbildungsjahr. Die gesamte Klasse mit zwei begleitenden Lehrerinnen verbrachten 2010 drei Wochen in Liverpool. Jeder absolvierte ein Praktikum nach einem einführenden Sprachkurs.

Ich habe mir gewünscht, die Designmode von England kennen zu lernen und zu verkaufen. Dazu hatte ich mir ein sehr teures Geschäft in einer Toplage von Liverpool angeschaut. Dann musste ich mich bei der Bereichsleitung per Telefon vorstellen. Ich war so aufgeregt. Mein Englisch war nur mittelmäßig und verstehen konnte ich auch nicht alles. Meine Lehrerinnen haben mir Sätze als Bausteine gegeben. Ich war sehr unsicher. Aber ich habe es geschafft, den Praktikumsplatz zu bekommen! Das hat mir Vertrauen gegeben und mich ein wenig stolz gemacht. Im Geschäft wurde ich sehr herzlich als neuer Kollege aufgenommen und intergiert. Am Ende des Praktikums wurde ich mit Geschenken und einem Job-Angebot nach der Ausbildung verabschiedet.

Diese Tatsache hat mir gezeigt, was alles möglich ist, wenn man nur den ersten Schritt macht. Meine Selbstsicherheit hat einen kräftigen Sprung nach vorne gemacht. Mein Ausbildungsbetrieb in Hamburg hat meine „neue“ Selbstständigkeit, mein Selbstbewusstsein und meine erweiterten Warenkenntnisse sehr geschätzt, “ beschreibt Sonny seine Erfahrung.

Von nun an hatte ich keine Bedenken mehr und der internationale Arbeitsmarkt lag mir zu Füßen. Nach der Ausbildung habe ich  zunächst bei BOSS in Deutschland angefangen. Dann habe ich Hackett in London kontaktiert, die mir eine Geschäftsführer-Position  in Madrid angeboten haben. Dort habe ich knapp 2 Jahr gearbeitet. Das Praktikum in England war sozusagen der Schlüssel für meine internationale Karriere. Ebenso habe ich die Hürde vor einer anderen Sprache überwunden. Heute arbeite ich als Store Manager bei Suitsupply in Hamburg. Täglich begleitet mich die englische Sprache!

Meine Berufsausbildung mit dem Aufenthalt in Liverpool ist absolut prägend für meine gesamte Laufbahn gewesen. Zu Beginn der Ausbildung wollte ich erst den Betrieb wechseln, die Ausbildung abbrechen oder doch was ganz anderes machen. Jedoch haben die Klasse, die Lehrer und unser Auslandsprojekte dazu beigetragen, dass ich am Ball geblieben bin! Danke!“

Wir danken Rose, Sonny und allen anderen, die diesen ersten Schritt gemacht haben. Viele  Auszubildende und Schüler*innen der Höheren Handelsschule haben inzwischen von dieser Auslandsoption profitiert. Auslandspraktika geben dem Bildungsweg eine nachhaltige Zusatzqualifikation der interkulturellen Kompetenz und öffnen den internationalen Arbeitsmarkt.

Bericht und Fotos: Christiane Schadow, Juni 2022